Die vom Bundesverkehrsministerium geplante Novelle der Straßenverkehrsordnung und des Bußgeldkatalogs steht kurz vor der Umsetzung. Die erforderliche Abstimmung im Bundesrat, der der Änderungsverordnung zustimmen muss, ist für den 14. Februar 2020 geplant. Worum geht es bei der StVO-Novelle? Vereinfacht gesagt sieht der Entwurf für einige Verkehrsdelikte deutlich höhere Bußgelder, eine strengere Punktevergabe und mehr Straftatbestände vor, mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit auf den Straßen und insbesondere den Schutz für Radfahrer zu erhöhen. Im Interview nahm Dr. Daniela Mielchen, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) e.V., zu den Aspekten der StVO-Novelle Stellung.
Frau Dr. Mielchen, halten Sie es für richtig, für mehr Verkehrssicherheit wieder an der Bußgeldschraube zu drehen? Anders gefragt: Sind die derzeitigen Bußgelder zu niedrig, um für mehr Sicherheit auf den Straßen zu sorgen?
Aus unserer Sicht sind die bestehenden Strafen und Bußgelder grundsätzlich ausreichend, weil dahinter auch noch Punkte und im ungünstigsten Fall der Entzug der Fahrerlaubnis stehen. Dieses System ist unangenehm genug, ohne dass jetzt noch höhere Bußgelder verhängt werden müssen. Dadurch steht der Staat nur wieder im Verdacht, seine Kasse auf Kosten der Autofahrer zusätzlich füllen zu wollen. Allerdings, um das derzeitige System wirkungsvoller zu machen, müsste es in erster Linie deutlich mehr Polizeikontrollen geben. Diese Meinung haben auch über 80 Prozent der Autofahrer vertreten, die wir kürzlich in einer von uns beauftragten repräsentativen Forsa-Studie dazu befragt haben.
Künftig sollen Autofahrer zum Beispiel härter bestraft werden, wenn sie beim Überholen von Fahrrädern keinen Mindestabstand von 1,50 beziehungsweise 2 Metern einhalten. Wie beurteilen Sie das?
Diese Neuregelung ist eher kontraproduktiv und dazu in Großstädten kaum umsetzbar. Ich denke hier insbesondere an kleine Straßen, wo man in vielen Fällen keinen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten könnte. Der Verkehr würde hier nur dadurch sicherer, dass der Autofahrer gezwungen ist dem Radfahrer langsam hinterherzufahren und der Verkehr damit zum Erliegen kommt. In Kombination mit der Tatsache, dass in immer mehr Städten Radwege auf die Straße verlagert werden, schätze ich diese neue Vorschrift als sehr gefährlich ein. Die Autofahrer werden geradezu dazu gezwungen, sich verkehrswidrig zu verhalten. Dahinter steht natürlich der Wunsch, die Autos aus den Städten zu verdrängen.
Die neuen Vorschriften und Strafen zur Rettungsgassen bewerten Sie jedoch positiv, richtig?
Ja, das ist aber auch die einzige Ausnahme. Hier sind harschere Gesetze gegen die unerlaubte Nutzung der Rettungsgasse und gegen das nicht bilden der Rettungsgasse sinnvoll, weil es hier letztlich um Menschenleben geht.
Wichtig für mehr Sicherheit auf den Straßen wäre, wie Sie bereits sagten, eine höhere Kontrolldichte. Was spricht dafür?
Es geht darum, öfter auf frischer Tat ertappt zu werden. Soziologische Studien im Strafrechtsbereich haben immer wieder ergeben, dass das Kalkül eines Straftäters nicht auf die Höhe der Strafe abzielt, sondern immer auf die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Das ist natürlich nur dann relevant, wenn dahinter eine unangenehme Strafe steht. Ich meine, dass wir in Deutschland ein Punktesystem haben, dass das erwischt werden sehr unangenehm macht und vollkommen ausreichend ist. Mit acht Punkten ist der Führerschein weg.
Welche weiteren Maßnahmen halten Sie für wirkungsvoll?
Neben der Erhöhung der Kontrolldichte sollten Fahrradfahrer und Autos möglichst voneinander getrennt werden. Wenn Radwege auf die Straße verlagert werden, wie es in Großstädten immer öfter passiert, dann steigt nach meiner Meinung nicht nur die gegenseitige Aggressivität, sondern auch die Unfallgefahr rapide. Wünschenswert wäre sicher auch eine bessere Verkehrsplanung und -erziehung, das hilft bestimmt mehr, als immer höhere Bußgelder zu verhängen.
Die Autofahrer erwarten im Rahmen der StVO-Novelle also einige neue Regeln und höhere Bußgelder. Was raten Sie den Betroffenen, denen ein Verkehrsverstoß vorgeworfen wird?
Ein Einspruch lohnt sich, denn nicht jeder Bußgeldbescheid ist gerechtfertigt. Schätzungen zufolge haben 70-80 Prozent aller Bußgeldbescheide nach anwaltlicher Intervention keinen Bestand. Vor allem, wenn ein Eintrag in Flensburg oder der Entzug der Fahrerlaubnis auf dem Spiel steht, ist es dringend zu empfehlen, sich sofort Rat und Hilfe bei einem fachlich versierten Rechtsanwalt zu holen. Auf keinen Fall sollte sich der Beschuldigte selbst äußern. Ein Anwalt für Verkehrsrecht weiß, worauf es in solchen Verfahren ankommt. Er kann im Vorwege Akteneinsicht nehmen und das Geschehen genau analysieren. So lassen sich sehr oft ein Bußgeld, Punkte in Flensburg oder ein Fahrverbot vermeiden.
Hinweis: Lesen Sie bitte auch die Presseinformation über die Ergebnisse der Forsa-Umfrage.
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Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins wurde 1979 gegründet. Ihr gehören knapp 6.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt ihre Mitglieder in vielerlei Hinsicht: Sie bietet regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen an und informiert ihre Rechtsanwälte zum Beispiel über die neuesten Entwicklungen des Verkehrsrechts – zum Vorteil ihrer Mandanten. Seit mehr als 40 Jahren setzen sich die Verkehrsanwälte in den Gremien des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar für die Rechte der Geschädigten ein und nehmen im Verkehrsrechtsauschuss des Deutschen Anwaltvereins zu allen wichtigen Gesetzesvorhaben Stellung. Die Homepage der Arbeitsgemeinschaft www.verkehrsanwaelte.de verdeutlicht die Vorteile des anwaltlichen Rats in Verkehrsrechtsfragen und ermöglicht potentiellen Mandanten eine schnelle und konkrete Anwaltssuche. Gerade Unfallgeschädigten bieten Verkehrsanwälte zahlreiche Möglichkeiten. Die Erfahrung zeigt: Diejenigen, die durch einen Verkehrsanwalt vertreten werden, erzielen regelmäßig einen deutlich höheren Schadenersatz als Geschädigte, die die Regulierung selbst in die Hand nehmen.
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